In der Regel singen die Männchen, um ein Territorium zu etablieren und Weibchen anzulocken. Die Gesänge können angeboren oder erlernt sein! Bei nicht besonders hoch organisierten Vogelarten wie den Hühnervögeln werden Gesänge oder Rufe ohne jegliches Vorbild entwickelt. Sieht man sich die Singvögel jedoch genauer an, so werden die Gesänge der arteigenen Männchen von den Jungvögeln erlernt, doch gibt es auch so genannte Mischsänger, deren Vorbild dann ein artfremdes Männchen war. Der oft sehr variationsreiche Gesang von Spöttern setzt sich aus vielen Elementen fremder Vogelarten, aber auch aus arttypischen zusammen. Hier werden offenbar wahllos Rufe und Gesänge anderer Vogelarten in den eigenen Gesang aufgenommen. Da die arteigenen Weibchen aber dennoch vom variablen Gesang der Spötter angelockt werden, diesen also auch erkennen, scheinen die Nachahmungen nicht in das akustische Kommunikationssystem ihrer Vorbilder einzugreifen.
Neben den erworbenen oder angeborenen Gesängen ist aber auch schon lange bekannt, dass Vögel tatsächlich Dialekte bilden. Zunächst glaubte man, dass diese nur in der horizontalen Flächenverbreitung auftreten würden, denn Buchfinken Ostdeutschlands singen etwas anders als die in Westdeutschland. Oder im Süden singen sie anders als im Norden. Manchmal wird am Ende der typischen Gesangesstrophe noch ein Ton angehängt, der in anderen Regionen aber fehlt. Auch Goldammern und einige weitere Singvögel zeigen abweichende Gesänge in den verschiedenen Regionen. Dennoch sind die Dialekte nicht so unterschiedlich, dass die typischen Elemente des arteigenen Gesangs für uns Menschen nicht erkannt würden. Die Bildung von Dialekten ist bei Vögeln also keineswegs ungewöhnlich! Zumeist ist es aber so, dass solche Vogelgruppen mit unterschiedlichen Dialekten durch landschaftliche Hindernisse wie große Seen oder hohe Berge voneinander getrennt sind.
Im Jahr 2015 fanden die Wissenschaftler Carrie Branch und Vladimir Pravosudov von der „University of Nevada“ in Reno in den Bergen Sagehen und Mount Rose in der Sierra Nevada (Kalifornien, USA) aber heraus, dass es auch in der Vertikalen unterschiedliche Dialekte bei Vögeln gibt. Sie berichteten im Fachmagazin „Open Science“, dass schon die Höhenlage für die Bildung arttypischer Dialekte ausreichen könne, ganz ohne eine natürliche Barriere. In unterschiedlichen Höhenlagen singen nordamerikanische Gambelmeisen Poecile gambeli unterschiedlich. Die Forscher hatten die Gesänge dieser Gambelmeisen in 1800 Metern und 2600 Metern Höhe aufgenommen. Sie bewerteten insgesamt elf Merkmale wie die Länge einzelner Töne, die Länge der Lücken zwischen den Tönen, die Startfrequenz und die Lautstärke. Heraus kam, dass die Gesänge an allen vier Standorten verschieden waren, ja selbst am selben Berg, abhängig davon, ob die Population auf 1800 Meter oder 2600 Meter Höhe lebte. Da bei den Singvögeln der Gesang eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielt, sind Höhendialekte offenbar eine hilfreiche Anpassung, denn die Männchen der Gambelmeisen lockten so vor allem Weibchen an, die genetisch ebenfalls an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst waren. Damit erhöhte sich die Überlebensrate.
Vögel „sprechen“ also durchaus Dialekte in unterschiedlichen horizontalen und vertikalen Regionen, aber sie erkennen den arteigenen Gesang immer und können sich erfolgreich fortpflanzen. Wir selbst sollten mal darauf achten, dass es in Deutschland einige Dialekte bei Vögeln gibt, die wir unterscheiden können. Dazu eignen sich die allbekannten Arten Buchfink und Goldammer am besten!